Die Farbe ist die Taste. Das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Saiten. Der Künstler ist die Hand, die die menschliche Seele in Vibration bringt.

(Wassily Kandinsky)

Kennst Du Deine dominante Hand?

Händig­keits­testung & -beratung

Hände aus Muscheln gelegt

Schön, dass Du Dich für das Thema der Händig­keits­testung & -beratung inter­es­sierst. Akutell befinde ich mich noch in der Ausbildung zur quali­fi­zierten Händig­keits­testung & – beratung bei Judith Bremer. Dennoch möchte ich Dir jetzt schon nach und nach einige Infor­ma­tionen zu diesem Thema zur Verfügung stellen.

Begriff­lich­keiten und wo sind die Unter­schiede?

Was bedeutet eigentlich…?

Links- oder rechts­händig?

Jeder Mensch hat eine dominante Hand, die in Verbindung steht mit der dominanten Hemisphäre des Gehirns. Damit kommen wir auf die Welt, wie mit vielen anderen Eigen­schaften und Fähigkeiten auch. Links- oder rechts­händig zu sein, heißt aber nicht, dass wir immer alle Tätigkeiten nur mit unserer dominanten Hand machen (müssen). Ganz im Gegenteil, wir alle – egal ob links- oder rechts­händig – nutzen für viele Tätigkeiten beide Hände. Und das ist auch gut so. Gleich­zeitig übernimmt die dominante Hand bei solchen Tätigkeiten meist die “Führung”.

Einhändige Tätigkeiten machen links­händige Personen nicht ausschließlich und alle mit links, genauso wenig wie rechts­händige Menschen immer alles mit rechts machen. Dennoch ist es sinnvoll anspruchs­vollere und feinmo­to­rische Tätigkeiten mit der dominanten Hand auszuführen (und somit von der dominanten Gehirn­hälfte planen und lenken zu lassen).

Beidhändig?

Ich benutze beide Hände oder ich kann manche Dinge mit links besser und andere mit rechts. Bin ich beidhändig? Die Antwort lautet: Nein, vermutlich eher nicht. Nur wenn alle feinmo­to­ri­schen Tätigkeiten mit beiden Händen identisch gut und gleicher­maßen leicht ausgeführt werden können, spricht man von Beidhän­digkeit. Die meisten Menschen, die einer scheinbaren Beidhän­digkeit nahe kommen, haben eigentlich eine unerkannte Händigkeit. Das heißt, die nicht-dominante Hand wurde so lange und gut trainiert, dass sie bei der Ausführung von Tätigkeiten mit der ungeübten dominanten Hand vergleichbar ist. Das ist aber keine echte Beidhän­digkeit!

Wechsel­händig?

Wechsel­händig wird häufig verwendet, wenn eigentlich ein wechselnder Handge­brauch oder unklare Händigkeit gemeint ist (es ist nämlich keine wechselnde Händigkeit). Das heißt, dass ein Kind beide Hände im Wechsel benutzt und scheinbar keine Präferenz erkennbar ist. Bei kleinen Kindern (bis ca. 3 Jahre) ist das durchaus normal. Sie sind im Prozess, ihre eigene dominante Hand zu finden. Es kann unter­schied­liche Gründe geben, die dazu beitragen, dass es einem Kind schwer fällt die dominante Hand zu finden und dass der wechselnde Handge­brauch länger andauert. Spätestens im Vorschul­alter (aller spätestens mit Schulbeginn) sollte bei fortbe­ste­hender unklarer Händigkeit profes­si­o­nelle Hilfe zur Klärung heran­ge­zogen werden.

Umgeschult oder unerkannt?

Nicht alle Menschen leben und/oder kennen ihre Händigkeit. Woran liegt das? Die Umschulung der Händigkeit ist den meisten Menschen noch ein Begriff. Sie bezeichnet den Handge­brauch entgegen der bekannten (oder vom Kind gezeigten) dominanten Hand. Diese Menschen wissen, dass sie linkshändig sind, führen jedoch Tätigkeiten wie Schreiben usw. mit rechts aus. Oft waren sie als Kinder Druck und Zwang in Schule, Elternhaus, usw. ausgesetzt und/oder spürten das Bedürfnis dazuzu­ge­hören/ sich anzupassen o.ä. und haben sich selbst umgeschult. Manchen links­hän­digen Kindern, die eine gewisse (antrai­nierte) Geschick­lichkeit mit rechts zeigten, wurde ggf. auch nahe gelegt, lieber die rechte Hand zu benutzen, weil sie es dann in der Rechts­hän­derwelt leichter hätten.

Den Zwang, unter allen Umständen in der Schule mit rechts schreiben lernen zu müssen, gibt es heute nicht mehr und viele Eltern lenken die Händigkeit nicht mehr bewusst. Insofern sind umgeschulte links­händige Kinder heutzutage zum Glück seltener und wir finden diese vor allem in den älteren Jahrgängen. Gebleiben sind jedoch die sogenannten unerkannten Links­hän­digen, die weiterhin in allen Alterguppen – und gar nicht so selten – vorkommen. Diese Menschen sind sich ihrer eigenen Händigkeit nicht bewusst (bzw. von der scheinbaren Händigkeit überzeugt) und auch dem Umfeld ist nicht aufgefallen, dass bei diesen Kindern die dominante Hand unterdrückt und die nicht-dominante Hand verwendet wurde/ wird. Es hat also keine typische Umschulung statt­ge­funden, sondern die unerkannte Händigkeit hat niemanden daran zweifeln lassen, dass die andere Hand tatsächlich die dominante sei. Grund hierfür kann z.B. eine – meist frühe – unbewusste Lenkung der Händigkeit von außen und/oder Anpassung ans Umfeld durch das Kind selbst sein.

Rückschulung oder Schreib­hand­wechsel?

Der Begriff Rückschulung bezieht sich vor allem auf umgeschulte links­händige Menschen – also diejenigen die wissentlich entgegen ihrer Links­hän­digkeit bei Schreiben lernen auf rechts umgeschult wurden (oder sich umgeschult haben). Wenn diese Menschen zu einem späteren Zeitpunkt anfangen mit links Schreiben zu lernen und somit zu ihrer eigent­lichen Schreibhand zurück­kehren, spricht man von Rückschulung. Bei den unerkannt links­hän­digen Menschen spricht man stattdessen vom Schreib­hand­wechsel, da es i.d.R. keine bewusste Umschulung gab, sondern damals davon ausgegangen wurde, dass die Schreibhand tatsächlich die dominante sei.

Lenkung

Oft können auch kleine Dinge, Alltags­ge­gen­stände oder Wort dazu beitragen, dass der Handge­brauch von Menschen – insbe­sondere das Finden der dominanten Hand bei Kindern – (unbeab­sichtigt) beeinflusst werden. Hier spricht man von Lenkung der Händigkeit.

Mögliche Folgen einer umgeschulten / unerkannten Händigkeit

Warum ist das Thema Händigkeit so wichtig?

Steinformation Teufelsmauer

Findet ein Mensch nicht zur natürlichen Händigkeit oder wird daran gehindert diese zu finden/leben, kann es zu einer messbaren Mehrbe­lastung im Gehirn kommen, die zu Überlas­tungs­si­tua­tionen führen kann. Die Folgen dieser erhöhten Belastung bis Überlastung sind sehr individuell in Art und Weise, Häufigkeit und Intensität. Es ist auch unter­schiedlich, (ab) wann sich die ersten Anzeichen der Überlastung zeigen. Sie können einzeln oder in jeder möglichen Kombination auftreten. Außerdem sind sie davon abhängig, ob es möglich ist, sich bestimmten Situationen zu entziehen oder ob man einer Situation immer wieder ausgesetzt ist.

Bei Kindern mit unerkannter oder umgeschulter Händigkeit zeigen sich häufig erste Anzeichen durch Verhal­tens­auf­fäl­lig­keiten oder -verän­de­rungen, körperliche Symptome oder vermeint­liche Ungeschick­lichkeit. Erhöhte Ermüd­barkeit und Schwie­rig­keiten bei der Konzen­tration können ebenfalls auftreten. Insbe­sondere das handschrift­liche Schreiben – die “feinmo­to­rische Königs­dis­ziplin” – führt, wenn sie nicht mit der natürlichen, stärkeren Hand ausgeführt wird, in der späten Kinder­gar­tenzeit bzw. spätenstens in der Schulzeit sehr häufig zu Beein­träch­ti­gungen. In Folge dessen können diese Kinder ihr natürliches Potential nicht entfalten. Es kann zu Beein­träch­ti­gungen im Bereich Lernen und Leistungs­fä­higkeit sowie in der Persön­lich­keits­ent­wicklung kommen. Die Auswir­kungen und Beein­träch­ti­gungen begleiten viele Kinder bis ins – teilweise hohe – Erwach­se­ne­n­alter.

Verhal­tens­auf­fäl­lig­keiten

Manche Kinder zeigen vorwiegend Verhal­tens­auf­fäl­lig­keiten. Dazu gehören z.B.

  • unkon­trol­lierte Wutaus­brüche
  • häufiges Weinen
  • vermehrte Unlust bis hinzu depressiven Verstim­mungen
  • Selbst­zweifel, Minder­wer­tig­keits­ge­fühle, Rückzugs­ten­denzen
  • Gedächtnis- und Konzen­tra­ti­ons­schwie­rig­keiten
  • ADS /ADHS ähnliche Verhal­tens­weisen
  • Ängste, Vermei­dungs­ver­halten
  • Unruhe, Schlaf­stö­rungen
  • auffälliges Verhalten beim Essen (z.B. unruhig am Tisch, häufiges Essen mit den Fingern, sehr mäkelig, wahlloses Stopfen)

Körperliche Symptome

Andere Kinder entwicklen vorwiegend oder zusätzlich körperliche Symptome. Dazu gehören z.B.

  • Stammeln, Stottern, Augen­zwinkern, Hüsteln / wieder­holtes Räuspern
  • Bettnässen (insbe­sondere wenn es in der Schulzeit wieder einsetzt, obwohl das Kind bereits trocken war)
  • Nägelkauen
  • häufige Kopf-/ Bauch­schmerzen
  • Beein­träch­ti­gungen durch Verkramp­fungen der Muskulatur
  • motorisches Ungeschick, verkrampfte Stift­haltung, starker Druck beim Malen/ Schreiben, unregel­mäßige Handschrift
  • Adipositas oder Magersucht als Folge des gestörten Essver­haltens
  • Schwie­rig­keiten beim Lesen / Schreiben / mit der Recht­schreibung

Stress­be­dingte Krank­heits­bilder oder psycho­so­ma­tische Störungen

Im weiteren Leben und insbe­sondere im Erwach­se­ne­n­alter können sich die Beein­träch­ti­gungen der unerkannten oder umgeschulten Händigkeit ebenfalls früher oder später bzw. weiterhin auf unter­schied­lichste Weise auswirken und ausdrücken. Vielleicht ist es nur ein ständiges, unter­schwel­liges Gefühl von “hinter dem eigenen Potential zurück zu bleiben”, sich stärker an anderen und dem Außen zu orientieren als an sich selbst oder das fehlende Vertrauen in und Ausleben von eigener Intuition und Kreativität. Es kann sich aber auch in Form von stress­be­dingten Krank­heits­bildern oder psycho­so­ma­ti­schen Störungen zeigen. Dazu gehören z.B.

  • depressive Verstim­mungen, Dauer­re­si­gnation, Burn-Out
  • Gedächtnis- und Konzen­tra­ti­ons­s­tö­rungen, Blackouts
  • Minder­wer­tig­keits­ge­fühle, Selbst­zweifel
  • Überkom­pen­sation durch erhöhten Leistungs­einsatz und Ehrgeiz, extremer Perfek­tio­nismus
  • leichte Reizbarkeit, Wutanfälle
  • Reduzierter Zugang zu den eigenen Gefühlen, der Körper- und Selbst­wahr­nehmung
  • Essstö­rungen (Adipositas, Magersucht, Binge Eating, Bulimie)
  • Beein­träch­ti­gungen in der Person­lich­keits­ent­wicklung und -findung bis hinzu Selbs­t­ent­fremdung und Identi­täts­themen

Nicht gelebte Fähigkeiten und Interessen, nicht abrufbare Potentiale sowie die verschüttete Wahrnehmung von Gefühlen, Bedürf­nissen und sich selbst können sich auf alle Lebens­be­reiche auswirken. Mögli­cher­weise ist die Berufswahl eher pragmatisch oder auf “Anraten anderer” erfolgt, statt von den eigenen Fähigkeiten und Interessen inspiriert gewesen zu sein. Mögli­cher­weise sind auch andere groß und kleine Lebens­ent­schei­dungen eher mit dem Blick auf andere und das Außen getroffen worden und permanente (Über-)Anpassung und Ambiva­lenzen sind zu vertrauen Begleitern geworden.

Warum die Ausbildung nach Judith Bremer?

Meine Art der Händig­keits­testung

Eine Händig­keits­testung ist etwas, dass leider weder geschützt ist noch einheit­lichen Standards unterliegt. So findet z.B. leider immer noch der Edinburgh Händig­keitstest “Edinburgh Handedness Inventory” von 1971 Anwendung bei wissen­schaft­lichen Studien, wenn dort links- und rechts­händige Menschen diffe­ren­ziert werden sollen. Dieser Test ist allerdings eine reine Selbst­aus­kunft bestehend aus wenigen Fragen, die teilweise gar keinen Rückschluss auf die Händigkeit zulassen oder aber nach dem Handge­brauch von sogenannten Kultur­tech­niken fragen.

Zum Beispiel wird gefragt mit welcher Hand die Person schreibt. Die Antwort “mit rechts” wird als Hinweis auf Rechts­hän­digkeit genutzt. Tatsächlich ist es aber so, dass eben nicht nur rechts­händige Menschen mit rechts schreiben, sondern auch all jene links­hän­digen Menschen, denen es aufgrund unerkannter Links­hän­digkeit oder gar gezielter/bewusster Umschulung das Schreiben mit rechts beigebracht wurde. Ebenso verhält es sich mit Fragen nach dem Besteck­ge­brauch, der Verwendung der Schere usw.. Meiner Meinung nach ist diese Form der Händig­keits­testung völlig sinnlos und das Ergebnis hat keine große Aussa­ge­kraft, sondern eher ein hohes Risiko von Fehlein­schät­zungen.

Wenn bei Händig­keits­tes­tungen der Fokus auf einhändige Tätigkeiten gelegt und dann geschaut wird, welche Hand diese “besser” ausführt, kann man evtl. fehlge­leitet werden. Warum ist das so? Wenn längere Zeit und wiederholt bestimmte Tätigkeiten mit der nicht-dominanten Hand ausführt werden (mussten), ist irgendwann die nicht-dominante Hand so geübt, dass sie geschickter/schneller/genauer/… ist als die (ungeübte) dominante Hand. Das heißt also – gerade bei Erwachsenen aber auch bei Kindern – besteht bei dieser Vorge­hens­weise die Unsicherheit, ob die dominante oder vielleicht doch nur die geübtere Hand identi­fi­ziert wird.

Ich hab mit 38 Jahren selbst die Erfahrung einer angeblich unein­deu­tigen Testung machen dürfen. Die Begründung war damals, dass vieles für linkshändig spräche aber eben auch zu viele Dinge (alles Kultur­tech­niken) für rechts­händig. Das habe ich damals schon nicht verstanden. Die Händig­keits­testung nach Judith Bremer legt ihren Fokus mehr auf das Zusam­men­spiel beider Hände als auf einhändige Tätigkeiten. Außerdem werden Kultur­tech­niken deutlich geringer gewichtet als z. B. Spontan­be­we­gungen. Diese Kombination ist mir sehr wichtig und war der Grund, warum ich mich für diese Heran­ge­hens­weise und Ausbildung entschieden habe.

Veran­stal­tungen

Treffen, Austausch, Infor­ma­tionen & Co.