Die Nacht, in der das Fürchten wohnt,
hat auch die Sterne und den Mond.
(Mascha Kaléko)
(Mascha Kaléko)
Das Wort Trauma entstammt dem Griechischen und bedeutet zunächst einmal sowas wie “die Wunde”. Auf rein körperlicher Ebene fällt es uns in der Regel relativ leicht nachzuvollziehen, dass es ganz unterschiedliche Varianten von Wunden und Verletzungen gibt. Es gibt kleine und große, oberflächliche oder tiefe, lokal begrenzte oder den ganzen Körper betreffende. Manche Wunden heilen schnell, gut und von alleine, während andere intensiv und andauernd schmerzen, vernarben, nur langsam und schlecht verheilen. Die einen schränken die betroffene Person so gut wie gar nicht oder nur sehr wenig ein, die anderen führen zu starken vorübergehenden oder langandauernden Beeinträchtigungen.
Wieder andere Wunden scheinen “nicht so wild” zu sein und führen vielleicht erst viel später im Leben zu Problemen – evtl. kann man sich dann nicht mal mehr wirklich an die urspüngliche Verletzung so genau erinnern. Und wenn ich mir z.B. den Zeh stoße oder gegen die Tischecke laufe, kann das ordentlich weh tun, vielleicht gibt es auch einen blauen Fleck, der noch eine Weile an das Missgeschick erinnert, aber ich weiß, dass der Schmerz für gewöhnlich sehr bald ohne Folgen nachlässt.
Das, was uns auf körperlicher Ebene so naheliegend erscheint, gerät häufig in der Betrachtung von psychischen Wunden – Traumata – schnell in Vergessenheit. Hier scheint Trauma häufig mit dem schlimmsten aller Fälle gleich gesetzt zu werden, ohne all die individuellen und zahlreichen Facetten, die es auch bei psychischen Wunden gibt, zu sehen. Und auch bei psychisch-schmerzvollen Erfahrungen ist es so, dass es sowas wie „einen gestoßenen Zeh“ gibt – also Erfahrungen, die unangenehm sind, aber ohne größere, andauernde Wunde – Trauma – verlaufen.
Darüber hinaus haben wir es bei seelischen Wunden in unserer Gesellschaft leider immer noch viel zu oft mit Stigmatisierung und Berührungsängsten zu tun. Während bei körperlichen Verletzungen und Wunden, die die Hausapotheke überfordern, i.d.R. ärztliche Hilfe aufgesucht wird, scheint es immer noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein, dies auch bei psychischen Verletzungen und Wunden zu tun. Und wenn man sich Hilfe sucht, heißt das leider nicht unbedingt, dass eine psychische Ursache für die Symptome in Betracht gezogen oder man damit ernst genommen wird bzw. die betroffene Person selbst eine solche Ursache annehmen kann.
(Peter A. Levine)
Die umgangssprachlich doch sehr unterschiedliche Verwendung des Wortes Trauma kann durchaus zu Irritationen führen. Es zeigt, wie weit wir immer noch von einer traumainformierten und -sensiblen Gesellschaft entfernt sind.
Häufig wird bei dem Wort Trauma sofort und ausschließlich an die schlimmsten katastrophalen Ereignisse (wie Krieg, Folter, Missbrauch, Naturkatastrophen,…) gedacht, die man sich nur ausmalen kann. Wenn diese Vorstellung so verbreitet ist, ist es durchaus nachzuvollziehen, dass manche Menschen sich über die scheinbar inflationäre Verwendung dieses Begriffes beschweren.
Wie Gabor Maté in seinem Buch „Der Mythos des Normalen“ treffend beschreibt, führt dieses Bild von Traumata zu einem unbeabsichtigten und irreführenden Effekt – nämlich der Vorstellung, dass Traumata etwas abnormales, unübliches und außergewöhnliches seien. Somit ensteht die Idee, dass nur eine spezielle Gruppe von Menschen betroffen wäre, die wir als traumatisiert bezeichnen, wohingegen die meisten von uns nicht betroffen sind. Gabor Maté legt dar, dass das Gegenteil der Fall ist.
Der Sonderfall in unserer Gesellschaft wäre die Person, die nicht von einer traumatischen Erfahrung geprägt ist: vom individuellen Erleben über soziale Beziehungen bis hinzu Bereichen wie Erziehung, Bildung, Politik, Popkultur und Wirtschaft ist unsere gesamte Kultur von Traumata durchdrungen – so Gabor Maté. Und Peter Levine schreibt: Traumatische Erfahrungen sind eine unvermeidbare Tatsache des Lebens – aber es ist möglich, vor der Entwicklung eines Langzeittraumas zu bewahren.
Ebenfalls irreführend ist die Verwendung des Wortes Trauma, wenn eigentlich Alltagsstress gemeint ist. Zwar gehen traumatische Ereignisse immer mit Stress und Aktivierung des Nervensystems einher, aber nicht jede stressige Erfahrung hat eine traumatisierende Wirkung.
In der Schulmedizin bezeichnet die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eine Kombination aus Symptomen, die (laut Definition) nach einem Ereignis außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auftreten. Hin und wieder werden “Trauma” und “PTBS” als Synonym gebraucht, obwohl die PTBS eigentlich eine extreme Form der Traumafolge ist und sich bei weitem nicht jedes Trauma in einer PTBS äußert.
Die Definition von Trauma beschreibt nicht das schwierige oder schmerzhafte Ereignis selbst, sondern viel mehr das, was sich im Inneren der Person durch dieses Ereignis abspielt. Es handelt sich also um eine psychische Wunde durch das belastende oder verletzende Ereignis. Das Ereignis ist das, was einem passiert ist, doch die Verletzung ist das, was im Nervensystem, Körper und Geist zurückbleibt und dort, wenn diese Wunde nicht heilt, jederzeit wieder Schmerzen verursachen kann – und zwar auch noch Jahrzehnte später. Nur wenn eine anhaltende psychische und/oder physische Einschränkung und Beeinträchtigung durch das Ereignis eintritt, wird dieses als traumatisch bezeichnet.
Das Spektrum von Traumata ist breitgefächert. Es gibt Traumata, die Reaktionen und Anpassungsleistungen auf spezifische, identifizierbare, verletzende und überwältigende Ereignisse von Körper und Geist umfassen. Hierzu gehören neben den katastrophalen Ereignissen (altersunabhängig) auch in der Kindheit erlittene traumatische Ereignisse wie z.B. Missbrauch, jede Form von Gewalt und schwere Vernachlässigung in der Herkunftsfamilie sowie der Verlust eines Elternteils aber auch Armut, Rassismus oder Unterdrückung.
Viel häufiger jedoch sind Traumata, die Gabor Maté als nahe zu universell in unserer Kultur beschreibt, bei denen von scheinbar alltäglichen Ereignissen langanhaltende Spuren in der Psyche eines Kindes zurückbleiben können: z.B. Mobbing, unzureichende emotionale Verbindung zu wichtigen Bezugspersonen, wiederholte wohlmeinende, aber schroffe Äußerungen und neben dem Schlimmen, was dem Kind widerfährt auch das Gute, das ihm vorenthalten wird (z.B. sich gesehen und akzeptiert fühlen). Wenn also zentrale Bedürfnisse des Kindes (ggf. auch schon pränatal) nicht erfüllt werden (können), kann es ganz ohne Unglück oder offensichtliches Leid zu einer schmerzhaften Abkopplung vom Selbst kommen.
Darüber hinaus gibt es Traumata, deren Auslöser Peter Levine als subtile Ursache bezeichnet. Obwohl es sich um scheinbar gewöhnliche Ereignisse handelt, gehen sie viel häufiger mit traumatischen Auswirkungen einher als wir erwarten. Subtile Ursachen können z.B. kleinere Autounfälle mit Blechschäden sein, insbesondere wenn ein Schleudertrauma damit verbunden ist.
Es zählen auch invasive ärztliche oder zahnärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen (insbesondere wenn festgehalten/fixiert oder narkotisiert wird), Stürze und andere “geringfügige” Verletzungen insbesondere bei Kindern und älteren Menschen sowie eine länger andauernde Ruhigstellung durch Gips oder Schienen (insbesondere bei Kindern) dazu. Weitere Beispiele für mögliche subtile Ursachen sind hohes Fieber und bei kleinen Kindern und Säuglingen das Alleingelassen werden oder extremen Temperaturen ausgesetzt zu sein.
Das Spektrum menschlicher Erfahrungen und somit auch das von Traumata ist groß und die Grenzen sind im täglichen Leben fließend und nicht leicht zu ziehen. Doch letzlich ist dies auch nicht erforderlich, denn Leid lässt sich nicht mit dem Leid anderer vergleichen oder gar messen.
(aus: “Vom Mythos des Normalen: Wie unsere Gesellschaft uns krank macht und traumatisiert – Neue Wege der Heilung” von Gabor Maté mit Daniel Maté)
Die Folgen eines Traumas können sich als dissoziierte, verleugnete und in den eigenen Schatten verbannte Energien und “Körpererinnerungen” fortsetzen und auch wiederholen. Traumafolgen sind Anzeichen dafür, dass das Erlebte Zusammenhänge zersprengt und uns von uns selbst abgespalten hat sowie auch die Verbindung zu anderen Personen und unserer Umwelt erschwert.
Die Traumafolgen zeigen sich wie zersplitterte Erinnerungen, die sich hin und wieder in oft unangenehmer Weise zeigen. Dies ist keine freie und willentliche Entscheidung, sondern viel mehr von dem Teil des Selbst ausgehend, der als Traumafolge im Dunklen, im Unbewussten, im Schatten,… gehalten wird.
Längst ist bekannt, dass im gesamten weiteren Verlauf des Lebens ungelöste Traumata – egal wie lange das Ereignis zurückliegt – allerlei Krankheiten mitverursachen oder begünstigen können. Frühkindliche Traumata können sogar zu Beeinträchtigungen der gesunden Entwicklung des Gehirns und strukturellen Veränderungen des Nervensystems führen.
(Peter A. Levine)
Ein Aspekt, der häufig in Zusammenhang mit Traumata anzutreffen ist, ist die verminderte Fähigkeit die Meinung, Denkweise, Ansichten und das Handeln anderer akzeptieren zu können, wenn diese nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen. Für ein traumabedingt aktiviertes System kann ein “weil es anderes ist” ausreichen, um es automatisch als bedrohlich einzuordnen – völlig unabhängig davon wie hoch das reale Risiko der Bedrohung gerade ist.
Die traumabedingte Trennung und Spaltung – von uns selbst, anderen und der Umwelt – führt zu einer Dualität (einem “entweder oder” und extremen “schwarz-weiß-Denken”), die mit der unglaublichen Kraft und Energie des ungelösten Traumas einhergeht. Eine Polarität (ein “sowohl als auch”), die die Gesamtheit mit all ihren Extremen und all dem dazwischen als ein untrennbares Ganzes und die Vielfalt als Bereicherung betrachtet, ist dann nicht mehr möglich.
Oft sind auch unerfüllte Bedürfnisse nach Sicherheit, Geborgenheit, Zugehörigkeit und/oder Autonomie in Traumageschehen involviert. Unsere Sehnsucht nach diesen unerfüllten Bedürfnissen – nicht selten aus der Kindheit – werden ganz bewusst und gezielt von profitgierien Unternehmen angezapft und immer nur gerade soweit bedient, dass das Bedürfnis fast erfüllt ist. Somit erschaffen sie absichtlich eine Sucht und lassen uns glauben, nur ein bisschen mehr hiervon oder davon und das Bedürfnis wird endlich erfüllt, während sie sich selbst daran bereichern.
Diese unerfüllten Bedürfnisse spielen aber auch eine Rolle in der Politik, die die Rahmenbedingungen für unser Miteinander schafft, und in der Unterhaltungsbranche, die uns allzu oft nicht nur Spaß und gute Unterhaltung sondern auch Verdrängung oder Bestätigung unseres Leids “verkauft”. Und das nicht selten auf Kosten der Menschen, die neben einem außergewöhnlichen Talent auch eine tiefe traumabedingte Verzweiflung in sich tragen, die ihr Leben und die Karriere prägen und nicht selten auch zu Fall bringen.
Würden wir von einer Person mit gebrochenem Bein erwarten, dass sie mit Bestzeit den Sieg im Marathon holt? Dass der Gips und die Krücken sogar der entscheidende Vorteil gegenüber der Konkurrenz sei? Wohl eher nicht. Dennoch finden wir in Entscheidungs- & Verantwortungspositionen und insbesondere in den oberen Rängen der Macht viele Menschen, die für Eigenschaften und Verhaltensweisen Zuspruch finden, die eigentlich nur Folge von (oft frühen) traumatischen Ereignissen sind. Wir betrauen diese Menschen – teilweise in tiefster Überzeugung – damit die Geschicke unserer Gesellschaft zu lenken und die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Je nachdem wie viel Trauma-Bewusstsein oder -Blindheit in die Politik und den politischen Diskurs einfließt, wirkt sich das massiv auf die Menschen und den gesamten Planeten aus. Eine Politik, die auf Basis von Traumafolgen agiert, schafft Rahmenbedingungen, von denen wir wissen, dass sie ungesund sind – individuell und global.
(Peter A. Levine)
Wie würde eine Welt aussehen, in der wir all die finanziellen Mittel, all die Zeit, Energie und Tatkraft usw., die derzeit in all die Dinge fließen, die nur noch mehr Leid und Traumata verursachen, stattdessen in eine flächendeckende, allen zugängliche und völlig selbstverständliche Aufarbeitung von Traumata investieren würden? Ich bin überzeugt davon, dass jeder Cent und jede noch so kleine Bemühung in diese Richtung mehr nachhaltigen Frieden, mehr Gerechtigkeit und Gleichbehandlung (egal welcher Personengruppen) sowie tiefe Verbundenheit bei gleichzeitig mehr Autonomie, mehr echte Sicherheit und Geborgenheit schaffen würde, als jede noch so große militärische Aufrüstung es jemals erzielen könnte.
Wir würden beschenkt mit mehr Verbundenheit mit uns selbst, anderen Menschen und der gesamten Natur (von der wir – auch wenn wir uns oft als getrennt davon betrachten – ein Teil sind!) und das kann zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden individuell als auch im Großen und Ganzen führen. Denn ohne traumabedingte Nöte bekommen auch Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz eine viel tragfähigere und solidere Basis. Profitgier und politische Ausrichtungen, die genau diese traumabedingten Nöte/ nicht erfüllten Bedürfnisse ausnutzen, würden keinen Nährboden mehr finden. Und wir würden einer artgerechten Haltung der Spezies Mensch wohl wieder deutlich näher kommen.
Oder wie Gabor Matés sinngemäß sagt: “Aktuell ist der Baum unseres gesellschaftlichen Lebens und unserer Politik von der Wurzel bis zur Frucht mit Traumata durchsetzt. Wenn es irgendeine Hoffnung auf eine andere Ernte gibt – eine Hoffnung, von der die Zukunft der Menschheit und des gesamten Planten abhängt -, müssen viele von uns das tun, wozu so viele führende Politikerinnen und Politiker nicht in der Lage sind: mutig nach innen schauen, um besser und auf ehrliche Weise nach außen und umherschauen zu können.” Und je mehr von uns in der Lage sind und den Mut aufbringen, dies zu tun, umso besser für uns alle!
Eine Person kann den Unterschied machen! Diesen kraftvollen Satz finde ihn soooo wertvoll. Es ist wirklich erstaunlich, aber egal wie schlimm die Kindheit war, i.d.R. gibt es trotzdem ein Wesen – völlig egal ob die freundliche Nachbarin, eine Lehrkraft in der Schule, ein Hund, eine Katze,… – das den Unterschied gemacht hat. Das für einen Moment das Gefühl vermitteln konnte, die Welt ist nicht nur schlecht und bedrohlich. Peter Levine schildert an Hand seines Unfalls, bei dem er von einem Auto angefahren wurde, wie eine Ersthelferin für ihn den Unterschied machte und dafür sorgte, dass kein Trauma entstanden ist. Wir brauchen mehr solcher Ersthelferinnen und Ersthelfer. Es gibt so viele Möglichkeiten, wo eine Person einen Unterschied machen kann.
Werde Dir dessen bewusst und sei auch Du für jemand anderen diese eine Person, die den Unterschied macht, wenn es gebraucht wird!
Wo entscheidest und handelst Du frei und wo wirst Du vielleicht beeinflusst durch Ereignisse, die Dein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit, Verbundenheit, Zugehörigkeit und/oder Autonomie irgendwann einmal erschüttert haben. Je mehr Mensch sich um ihre traumabedingten “blinden Flecken” kümmern, umso leichter wird es, aus dem Teufelskreis auszusteigen, in dem traumatisierte Menschen andere Traumatisierte zu ihren Anführern machen und diese dann eine Welt erschaffen, die Leid und Traumatisierungen aufrecht erhält oder sogar verstärkt.
(Pema Chödrön; aus: “Geh an die Orte, die du fürchtest”)
Wenn wir an einmalige Ereignisse denken – ein Schocktrauma wie z.B. einen Unfall – ist es für die meisten nachvollziehbar, das Heilung möglich ist. Doch gerade bei einem Trauma aus dem Bereich der Bindungs- & Entwicklungstraumata und komplexen Traumatisierungen kommen bei betroffenen Personen nicht selten Zweifel auf, die durch Missverständnisse, Erwartungen und Frustration immer weiter geschürt werden. Dennoch ist auch für diese Menschen Heilung möglich. Es ist jedoch wichtig, sich nochmal vor Augen zu führen, dass Traumafolgen nicht eine Summe von Symptomen sind, die es weg zu machen gilt, sondern es sich dabei um normale Reaktionen auf unnormale Ereignisse handelt.
Unser Wesen, unser Sein hat in seiner Gesamtheit aus Körper, Geist (Kognition), Emotionen, usw. eine Reaktion auf und eine Umgangsform mit dem Geschehen entwickelt. Diese Reaktionen und Verhaltensmuster sind gerade bei frühen und komplexen Traumata sehr vielschichtig und über lange Zeit erlernt und automatisiert worden. Daher braucht es Raum, Zeit und ein ganzheitliches Herangehen, um langsam und Schritt für Schritt die Gesamtheit aus Körper, Geist, Emotionen, usw. einzuladen diese Reaktionen und Verhaltensmuster zu überdenken und neue zu entwickeln, erlernen und üben. Dies ist ein wirklich tiefer Lernprozess, der für die Heilung von Traumata – der Traumaintegration – so wichtig ist.
Erinnere Dich, das Trauma steckt nicht im Geschehen, sondern wir finden es im Körper, im Nervensystem. Deswegen ist es so wichtig, sich bewusst zu machen, dass für eine Heilung die Integration und das Arbeiten mit dem Körpersystem entscheidend sind und es nicht ausreicht, sich nur vertiefend mit dem Ereignis selbst zu beschäftigen, auseinanderzusetzen und zu versuchen, dieses zu bewältigen.
Traumaheilung ist ein tiefgreifender Prozess, der sehr viel mit Wandel und Veränderung auf vielen Ebenen zu tun hat. Das gesamte System erfährt einen “Umbau” und eine Neuausrichtung, die sich auf den Körper, das Körpergefühl, die Wahrnehmungen, die Glaubensätze, die Sicht auf Dich selbst, andere und die Welt auswirken und es ermöglichen die automatisierten Reaktionen zu transformieren und neue zu etablieren. Dieser enorme Weg wird nicht nur mit Heilung belohnt, sondern auch mit einer Persönlichkeitsentwicklung, Potentialentfaltung und Bewusstwerdung, die ein riesen Geschenk für die Person selbst aber auch für die Welt sind.
Für den Heilungsprozess braucht es zunächst einmal die Bereitschaft, diesen Weg zu gehen. Das klingt vielleicht erstmal einfach, kann aber durch eventuell vorhandene, innere Überzeugungen erschwert werden, die gegen eine Erlaubnis zur Heilung sprechen. Außerdem braucht es ein unterstützendes, liebevolles und sicheres Umfeld und, wenn Du tiefer in Deinen Prozess einsteigen möchtest, auch eine traumatherapeutische Begleitung. Ein sicheres Umfeld schaffen, heißt auch, Dich von Einflüssen abzugrenzen, die Deinem Gefühl von Sicherheit schaden. Und es geht darum, die Sprache des Nervensystems zu erlernen und zu verstehen.
Oft sind die ganz feinen und kleinen Veränderungen im Laufe des Prozesses für die betroffene Person gar nicht so leicht greifbar. Es geht hierbei u.a. um Veränderungen in den Beziehungen zu sich selbst, dem eigenen Körper, anderen Menschen, dem Umfeld,… die Anzeichen dafür sind, dass die Fähigkeit zur Selbstregulation des Nervensystems wächst und die Kapazität steigt, die eigenen Gefühle zu spüren und (aus)halten zu können, ohne in automatische Reaktionen zu verfallen (bzw. im ersten Schritt diesen Automatismus einfach erstmal zu bemerken).